„Das Malen ist für mich heiter, entspannt, intuitiv, mutig- ich suche nichts und finde doch so viel. Ich bin dabei einfach glücklich wie ein Kind, das spielt.
YVONNE REBMANN
Liebe Erwachsene,
damit ihr Euch so ungefähr vorstellen könnt, wie das Malen hier sein und wirken kann, will ich Euch aus meinen eigenen Malerfahrungen berichten, denn auch ich male einmal in der Woche in einem anderen Malraum. Viele Neugierige, die von meinem Malkonzept hören, fragen sich: "Was ist es denn nun, wenn dort 'nichts' gelehrt wird? Keine Themen, keine Techniken, keine Bewertungen."
Wer in den Malort eintritt, tritt nicht ins Leere: Ein Erfahrungsbericht über die Achtsamkeit beim Malen
"Damit das Malen mir gut tut, muss ich meinen individuellen kreativen Weg gehen. Dieser Weg ist ein Prozess und der braucht Zeit. Achtsam, sauber und konzentriert male ich jede Woche in einer Malgruppe, diese Gruppe tut mir gut. Sie trägt und hält mich, aber auch die achtsame, respektvolle Bedienung und Begleitung der Leitung.
Ich betrete den Raum und genieße die bunten Farben und Wände, ja, ich nehme sie fast in mich auf. Besonders in den Wintermonaten wirkt der Malraum wie eine postitive Farbdusche. Mit der Zeit habe ich gelernt, immer ungeplanter zu malen. Einen Pinsel zu nehmen, einen Strich zu setzen, auf dem Blatt zu spielen und darauf zu vertrauen, dass schon etwas entsteht. Ich erfahre, dass ich allen Empfindungen mit Offenheit, Akzeptanz und Neugierde begegnen kann. Meine bisherigen Reaktionen wie Ablehnung, Bewertungen, Widerstände nehme ich als alte Muster zur Kenntnis, beachte sie aber nicht weiter (OK, gelingt nicht immer, aber immer öfter). Die Malleitung unterstützt mich, immer eine offene, freundliche und neugierige Haltung mir gegenüber einzunehmen.
Ich bin beim Malen von Anfang an sehr konzentriert, manchmal schweift meine Aufmerksamkeit ab und ich deute etwas gemaltes auf meinem Bild, aber sobald dies mir bewußt wird, lenke ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den jetzigen Augenblick und die farbige Pinselspitze- wo wird sie mich als nächstes hinführen? Ich muss anfänglich ganz schön geduldig mit mir sein. Ja, ich muss großzügig mit mir umgehen und gut für mich sorgen. Das ist am Anfang ganz neu, sorge ich doch ansonsten immer für die anderen. ICH im Mittelpunkt, ein ganz neues Gefühl.
Manchmal habe ich beim Ankommen einen Impuls: z.B. das Gefühl nach 'Erdung', wenn ich tagsüber viel am Computer gesessen habe. Dann male ich viel mit Erdfarben, oftmals male ich dann auch 'unter der Erde': Erdschichten, Getier, Gänge, Wurzeln, Knollen, Wasseradern...Oder ich habe das Gefühl nach 'Freiheit' wenn ich mal wieder mit meinen pubertierenden Kindern Konflikte lösen musste, dann kommen Berge, Vögel, Landschaften oder es verbindet sich in einem Bild beides: Himmel und Erde. Oft ist es so schön still, ich genieße diese Momente, diese Auszeit vom Alltag. Keiner will etwas von mir, ich genüge mir selbst. Manchmal male ich in einer Stunde ein oder zwei Bilder, aber das kommt momentan nicht mehr so oft vor. Denn in den letzten Jahren hat sich mein Blattraum erweitert. Ich male nun fast immer ein halbes oder dreiviertel Jahr an einem Bild, das dann oft aus vielen Blättern besteht, die jede Stunde aneinander gehängt auf mich warten. Ich verfeinere automatisch meine Maltechnik und entwickele z.B. mein räumliches und perspektivisches Darstellen von Dingen. Aber alles in meinem Tempo und zu der richtigen Zeit. Oft kommen bestimmte Bildmotive immer wieder in meinen Bildern vor. Eine Zeitlang kamen immer wieder Vögel in meine Bilder, obwohl ich das nicht geplant hatte. Keiner sagt mir, 'dieses Bild hast du doch schon mal gemalt, komm probier mal was anderes'. Nein, ich mache das in meinem Rhythmus, gebe mich damit dem Fluss der Zeit hin. Meinem Lebensfluss. Nun habe ich so oft schon alle verschiedenen Vögel gemalt, dass ich es zum einen technisch gut hinbekomme, zum anderen das Thema irgendwie innerlich abgehakt ist. Eine neue Tür kann sich öffnen. Trotzdem sind alle Vögel immer wieder willkommen und es zeigt mir auch, dass man das Malen regelmäßig machen muss, um mich weiter zu entwickeln.
Ich male, so gut ich kann ich genieße es, nicht alleine zu sein. Beim malen erlebe ich oft nur mich, dann wieder muss ich in die Mitte des Raumes zur Palette gehen und da sind sie alle wieder, die anderen Mitmalenden, wir lächeln uns an, sind Verbündete, sagen etwas oder auch nichts. Dann gehe ich wieder zurück zu meinem Blatt und bin bei mir. Auch die wertschätzende Haltung der Leitung gibt mir Sicherheit, nicht ganz alleine zu sein. Wenn ich Hilfe brauche, dann kann ich das sagen und sie kommt und hilft ohne mich einzuschränken. Manchmal muss ich meinen inneren Kritiker in die 'Stille Ecke' schicken. Das ist nicht immer so einfach, denn oft stehe ich mir mit meinen vorgefertigten Meinungen selbst im Weg. Wenn so ein Moment kommt, dann frage ich mich, was mich gerade blockiert und befreie mich, in dem ich mir selbst die Erlaubnis gebe, auch das malen zu dürfen, was mein Inneres gerade nicht zulassen will. Ich erlaube mir, ALLES malen zu dürfen oder ich frage mich 'Was würde ich malen, wenn ich ein Kind wäre'. Diese Erlaubnis und das Wissen, dass das Bild nicht mit nach Hause genommen wird, gibt mir eine rießengroße Freiheit. Ich darf meine Traumwelt entstehen lassen: unzensiert !!!, riskant, mutig, kraftvoll oder sanft, ja, manchmal auch peinlich oder kindisch.
Immer wieder passiert es auch, dass ich gerne exakter, symetrischer malen würde und mein 'innerer Kritiker' rumnörgelt. Auch das hat mich das Malen gelehrt: auch das Unperfekte ist gut. Oder: mach halt was anderes draus. Und das ist eine ganz wichtige Erfahrung, die ich auch mit in den Alltag nehme: kreativ Dinge anzugehen, neue Lösungen zu finden, auch wenn sie mal nicht so perfekt werden, wie ich mir das vorgenommen habe.
Es kommt auch vor, dass ich beim Malen mal keinen Kontakt zu meinem Bild habe, ich male dann oberflächlich und mir wird langweilig. Aber ich weiß: ich muss mir die Zeit geben, konzentriere mich auf das zarte Verstreichen der cremigen Farbe auf dem Blatt, genieße eben mal für eine Stunde einfach spielend das Setzen von hunderten Punkten oder Strichen. Schon in der nächsten Stunde kommen die wichtigen Dinge, die gemalt werden müssen, von ganz alleine. Dann bin ich wieder voll im Bild, komme in meinen Flow, das Bild und ich sind eins. Ich bin tief verwurzelt. Diese Erfüllung.
Meine Malthemen geben mir nach vielen vielen Jahren des Malens immer mehr Antworten auf philosophische Lebensfragen, sie werden spiritueller, geben Impulse und das alles, ohne das ich es erzwungen habe. Je mehr ich loslasse, desto mehr bekomme ich geschenkt.
Die Bilder sind mein innerer Schatz und ich danke für diesen geschützten Raum in dem sie entstehen dürfen. Sie werden zum Glück keinen fremden Blicken, Kritiken oder Interpretationen ausgesetzt. Diese würden mich nur bei meinen nächsten Bildern hemmen, selbst positive Reaktionen. Ich würde denken, 'das hat doch dem ... so gefallen, also male ich einfach wieder so'. Meine Kreativität bliebe dann in gewohnten Bahnen, ich würde mich nicht weiter entwickeln und ich wäre ergebnisorientiert, würde wiederum oberflächlich malen. Ich bin deshalb froh, dass es auch keine Ausstellungen gibt, aber dass die Bilder respektvoll in meiner Mappe aufbewahrt werden. Ich kann sie jederzeit ansehen, wenn ich will. Aber das kommt selten vor, die Bilder sind ja schon längst Vergangenheit und die Gegenwart und die Zukunft spielt sich auf meinem aktuellen Blatt ab.
Malen macht das Leben einfach bunter. Ich verlasse meist mit einem Lächeln den Raum und gehe aufgetankt wieder ins Leben hinein."
Yvonne Rebmann
Entdecken auch Sie, dass das Malen ganz spielerisch leicht geht und das Sie dafür gar keinen vorherigen Plan brauchen. Das kann jeder lernen.